Seit letztem Herbst, als ich mich für die Tortour Challenge angemeldet hatte, freute ich mich unglaublich auf dieses grosse Abenteuer. Als dann im Frühling leider zwei meiner Betreuer wieder
abgesprungen sind, war ich etwas enttäuscht, fand aber zum Glück mit Res, meiner lieben Freundin Irène und meinem Schwesterherz Barbara schnell drei verlässliche Supporter welche sich bereit
erklärten, mich bei diesem Abenteuer zu begleiten und vorallem zu unterstützen.
Zwei Wochen vor dem Start wurde mir so langsam richtig bewusst, dass mein Traum bald wahr werden sollte. Ich war aber überhaupt nicht richtig nervös, sondern nur voller Vorfreude. Mein Bruder
Friedrich gab mir noch wertvolle Tipps, half mir bei der Organisation von Funk und Ersatzlampen und erklärte mir die Navigation mit dem Garmin. Eine Woche vor dem Start absolvierte ich mit meiner
Schwester Barbara noch eine Testtour auf der dritt- und zweitletzten Etappe der Tortour Strecke. Wir propten die Kommunikation über den Funk, ich konnte das Garmin testen und mir ein Teil der
Strecke somit auch gleich schon anschauen.
Dann endlich war es soweit. Zusammen mit Res fuhr ich am Donnerstagvormittag mit dem Büsli nach Schaffhausen. Nach dem Check-In machten wir die letzten Vorbereitungen und um 15.42 Uhr startete
ich zum 1km Prolog. Die Strecke des Prologes führte am Rheinfall entlang und wir mussten eine Rampe mit 16% Steigung bezwingen. Zu dritt wurden wir auf die Strecke geschickt. Ich mit zwei anderen
Single Frauen. Weil die vielen Zuschauer mich so lauthals anfeuerten, konnte ich nicht anders, als den Berg hoch zu pushen! Ein richtig gutes Warmup!
Um 18.00 Uhr kamen dann Irène und Barbara in Schaffhausen an und gemeinsam konnten wir beim Abendessen noch letzte Unklarheiten beseitigen und unsere Taktik besprechen. Um 20.00 Uhr legten wir
uns dann schlafen. Bereits um 24.00 Uhr hiess es für mich wieder aufstehen, frühstücken und mich für den Start bereit machen.
Am Freitagmorgenfrüh um 01.03 Uhr konnte das Abenteuer beginnen. In der IWC Arena wurde ich pünktlich, von den Organisatoren der Tortour, auf eine lange Fahrt in die dunkle Nacht hinausgelassen.
Alle 30 Sekunden wurden Solofahrer, 2er- 3er- 4er und 6er Teams auf die Strecke gelassen.Die ersten 30km bis nach Frauenfeld mussten wir ohne Begleitfahrzeug zurücklegen. Es lief mir von Beginn
an sehr gut und ich war so glücklich, weil mein grosser Tag endlich gekommen war, dass ich mich richtig bändigen musste und nicht zu fest in die Pedale trat. Mein Bruder, ein sehr erfahrener und
erfolgreicher Ultra Cycling Fahrer, hat mir vor dem Start noch gesagt, dass ich mich nicht von den anderen mitreissen lassen soll, sondern einfach ganz locker ohne grossen Druck auf die Pedale
mit einer hohen Kadenz die gesamte Strecke fahren soll. Auf meinem GPS Gerät hatte ich sowieso nur die Strecke hochgeladen. Auf eine Anzeige von Watt, Puls, Zeit oder irgendwelchen
Geschwindigkeitsangaben habe ich absichtlich verzichtet, damit ich wirklich nur auf mein Gefühl und meinen Körper horchen konnte. Denn diesen kenne ich mittlerweile so gut, dass ich mich am
besten von meinem Körpergefühl leiten lasse.
Also fuhr ich locker drauf los. Es war mit 15 Grad recht angenehm und noch trocken. Nur der dichte Nebel machte die Abfahrten und engen Dorfpassagen etwas schwieriger. In der Nacht verliert man
jegliches Zeitgefühl und schon bald wurde ich in der Timestation in Frauenfeld von meinem tollen Betreuerteam mit Res, meiner lieben Freundin Irène und meinem Schwesterherz Barbara empfangen. Ich
musste kurz auf einem Blatt Papier unterschreiben, bekam von meinen Betreuern einen neuen Bidon und einen Gel. Und weiter gings auf die nächsten 70km bis zur zweiten Timestation nach Unterwasser
im Toggenburg. Ab hier durften mich meine Betreuer mit dem Auto im Followcar Modus begleiten. Zum Teil fuhren sie hinter mir und wenn es zu viele Fahrer unterwegs hatte und weil wir Fahrer
untereinander jeweils 50m Abstand halten mussten und auch zu den Begleitfahrzeugen 50m Abstand einhalten mussten, war das Begleiten nicht immer möglich und dann fuhren sie wieder eine kurze
Strecke Voraus und warteten dann wieder auf mich. Doch mit der Zeit wurde es ruhiger und ich hatte mein Team meistens um mich. Sowieso schauten die drei grandios zu mir. Ich bekam alle Stunde
einen neuen Bidon mit einem Kohlenhydratgetränk und dazu einen leckeren Marroni Gel. Sie schauten, dass ich genügend trank und vor allem genügend Kohlenhydrate, Salze und Proteine zu mir
nahm. Ich konnte mich ganz einfach nur aufs Treten konzentrieren. Leider begann es auf der zweiten Etappe plötzlich wie aus Kübeln an zu regnen. Ich liess mich aber nicht beirren, sondern genoss
die wunderschöne Stille der Nacht, die dunklen Dörfer und den Vollmond, den man ab und zu trotz den vielen Wolken zu Gesicht bekam. Auch einige Füchse und Fledermäuse säumten meinen Weg.
Auch die zweite Timestation erreichte ich ohne Zwischenfälle. Danach folgte ein Pass und eine nasse und heikle Abfahrt mit engen Kurven. Res fuhr mit dem Begleitauto immer schön hinter mir,
damit ich genügend Licht und somit gute Übersicht auf die Strasse hatte. Wir fuhren durch Liechtenstein wo meine Begleiter auf die Autobahn ausweichen mussten und ich die nächsten 25km alleine
auf dem Veloweg einem Damm entlang fahren musste. Es regnete immer noch in Strömen und dazu blies ein fieser Gegenwind. Es lief mir aber immer noch gut und ich fuhr einfach konstant in meinem
lockeren Tritt weiter und weiter. Das einzige was meine Stimmung etwas trübte, waren die doofen Teilnehmer, welche sich leider nicht an die Regeln hielten und Windschatten fuhren. Es hatte zu
wenige Marshalls auf Motorrädern und es war für diese unmöglich alle Fahrer zu jederzeit unter Kontrolle zu halten. Wo es um sportliche Leistungen geht, wird nun halt mit allen Mitteln
beschissen, das ist bei uns Hobbyfahrern leider nicht anders. :-(
Als ich die 3. Timestation in Chur erreichte wurde es langsam Tag und meine Betreuer konnten die Lichter an meinem Velo entfernen. Die vierte Etappe führte der wunderschönen Rheinschlucht entlang
über Illanz bis nach Disentis. Es mussten einige Höhenmeter bezwungen werden, doch immerhin hörte es kurz nach Illanz auf zu regnen. Es wurde langsam etwas wärmer und die Sonne trocknete meine
nassen Kleider. Kurz vor Disentis erblickte ich das erste Mal an einer Kirche die Zeit. Es war knapp nach 9.00 Uhr und ich wusste, dass ich also gut im Zeitplan lag.
Bei der 4. Timestation in Disentis wurde ich von meinen Betreuern gebeten, das erste Mal feste Nahrung zu mir zu nehmen. Ich brachte nur ein paar Bissen Zopf und Basler Leckerli runter und nahm
dann lieber wieder ein paar Gel mit auf den weiteren Weg. Ab Disentis ging es nur noch bergauf. Diesen Abschnitt kannte ich vom Alpenbrevet und ich wusste, dass es streng werden wird. Auch hier
versuchte ich möglichst kleine Gänge zu fahren und so praktisch ohne Druck auf den Pedalen die Serpentinen hochzukurbeln. Ich hatte das erste Mal eine richtige Müdigkeitsattacke. Mir fielen beim
Fahren fast die Augen zu. Oben auf dem Pass gönnte ich mir rund 5 - 7 Min Pause. Irène massierte mir meinen Rücken, meine Schwester gab mir Bouillon zu trinken und dazu Paprikachips zu Essen. Ich
zog mir oben frische und trockene Kleider an und nahm einen Bidon mit Cola in die Abfahrt, damit ich meine Müdigkeit überlisten konnte. Ab Andermatt wurde wegen einer Baustelle ein Teil der
Abfahrt neutralisiert, bevor die Zeit ab Wassen im Aufstieg Richtung Sustenpass wieder zählte. Hier erwartete mich mit 18km die längste Steigung. Die Müdigkeit setzte mir immer noch zu, doch ich
nahm einfach Tritt um Tritt, denn auch viele andere Fahrer waren hier am Leiden und einzelne standen am Strassenrand und sahen nicht mehr so spritzig aus.... Die vielen Zuschauer und auch die
Betreuer von anderen Solofahrern und Teams applaudierten mir regelmässig und spornten mich richtiggehend an. Auch meine drei lieben Betreuer gaben alles, mich bei Laune zu halten und es war immer
so schön, die drei wieder irgendwo am Strassenrand zu sehen. Als ich dann endlich den Sustenpass auf 2264müM erreichte, kullerten mir Freudentränen über die Wangen. Ich wusste, dass ich jetzt die
meisten Höhenmeter geschafft hatte und für mich war dieser Pass von Anfang an der Point of no Return. Ich wusste, wenn ich hier oben ankomme, dann werde ich es schaffen können. Es waren zwar
immer noch rund 240km, aber über die Hälfte und vorallem die anspruchsvollste Etappe war geschafft. Oben gönnte ich mir nochmals eine Pause, zog wieder frische Kleider an und nahm für die Abfahrt
einen Koffeeinshot.
In Meiringen ging es wieder in den Aufstieg Richtung Brünnigpass. Dieser Pass ist zwar nicht mehr so lang, aber kurz und knackig. Dann folgte eine längere Abfahrt mit langen Flachpassagen bis zur
6. Timestation in Sachseln. Das heisst ich bin in der Zentralschweiz angekommen. Es folgte eine wunderschöne Strecke zuerst dem Sarnensee und dann dem Vierwaltstädtersee entlang. In Kriens
erwarteten mich Conny und Nicole zusammen mit meinem Gottekind. Ich hielt ein paar Minuten bei ihnen an und musste natürlich über das bereits Erlebte berichten. Eine Umarmung von beiden und ein
süsses Lächeln meines Gottemeitlis gaben mir wiederum frische Kraft und weiter gings durchs wunderschöne Oberaargau bis nach Hochdorf. Als ich in Hochdorf an der 7. Timestation angekommen bin,
war ich doch langsam etwas müde. Wie immer gabs frische Bouillon, Chips, Cola und eine kurze Rückenmassage und Motivationsschübe meines Betreuerteams.
Ich wusste, dass die 8. Etappe wohl eine der härteren werden würde. Die knapp 80km gingen rauf und runter und hatten zwar nie lange, dafür umso knackigere Aufstiege zu bieten. Regelmässig gabs
Koffeeintabletten um meine Konzentration aufrecht zu erhalten. Denn diese Etappe führte durch viele kleinere und grössere Ortschaften mit viel Verkehr. Bereits den ganzen Tag hatte ich das Gefühl
die rote Welle erwischt zu haben, ich wusste gar nicht, dass in der Schweiz so viele Baustellen sind?! Praktisch auf jeder Etappe musste ich mehrmals an roten Ampeln warten. Am Anfang hat es mich
noch etwas genervt, doch je länger ich unterwegs war, desto dankbarer wurde ich, als ich wieder an einer roten Ampel kurz anhalten, meine Beine und Rücken dehnen und etwas kleines Essen konnte!
;-) Da mich meine drei Betreuer ohne grosse Worte praktisch blind verstanden, haben sie automatisch gemerkt, dass sie ab der 8. Etappe öfters anhielten und mich mit grossem Applaus, Musik und "La
Ola Wellen" anfeuerten. Dieses Gefühl zu wissen, dass drei sehr wichtige Menschen immer irgendwo auf mich warteten und um mich herum waren, ist unbeschreiblich. Ich musste zwar alleine trampen,
doch ich war nie allein. Sie waren immer bei mir und gaben mir damit unglaublich Kraft. Und sie haben von Anfang an so fest an mich geglaubt, dass ich mit dieser Energie fast Bäume hätte
ausreissen können!
So schaffte ich auch die 8. Etappe und erreichte überglücklich die 8. Timestation in Glattfelden. Die Dämmerung war angebrochen und ich musste wieder mit Licht und Leuchtweste fahren. Auf den
letzten 50km durfte also mein Team wieder hinter mir herfahren und mir Licht geben. Ich war froh, denn die Strassen führten oft durch stockdicken Wald wo ich nicht viel sah nur die lauten
Wildschweine hörte. Ich war froh nicht alleine zu sein, sonst hätte ich in diesen dunklen Wälder doch noch Angst bekommen. Dann 10km vor dem Ziel hatte ich meine erste und einzige mentale Krise.
Denn als wir Schaffhausen erreichten wär nämlich noch nicht Schluss, es musste noch eine 10km lange Schlaufe nach Deutschland und zurück nach Schaffhausen absolviert werden. Diese unnötige
Zusatzschleife mit mehreren kurzen und mega steilen Rampen nagte an meinen Nerven. Dann endlich, die letzten Kurven, die letzten Meter, der Zielbogen und der Speaker welcher mich mit Applaus
empfing und gleich in die Arme schloss. Meine Betreuer kamen angerannt, nahmen mich in die Arme, Freudentränen, unbeschreibliche Glücksgefühle, Hühnerhaut und Schlotterattacken überkamen mich.
Ich konnte es kaum fassen, ich hatte es tatsächlich geschafft. In 21 Stunden und 58 Minuten hatte ich als 3. Solofrau die 524km und 6800 Höhenmeter erfolgreich hinter mich gebracht. Ein Traum
wurde wahr. Anschliessend wurde ich mit meinem Finishersong in die IWC Arena eingelassen und unter Applaus durfte ich auf die Bühne fahren. Drinnen in der Arena empfingen mich meine Eltern und
meine 3 Betreuer, sowie einige fremde Leute applaudierten und freuten sich für und mit mir! Beim Interview brachte ich nicht mehr viele schlaue Sätze raus, zu viel ging mir gerade durch den Kopf.
Dann noch ein paar Erinnerungsfotos mit meiner Familie und meinen Betreuern, bevor wir uns alle in die Traumwelt verabschiedeten!
Am Samstag durfte ich mich während des Brunches noch als 3. Solofrau auf dem Podest feiern lassen. Was für ein Event, was für ein Tag. Auch heute drei Tage dannach, kann ich es immer noch nicht
richtig einordnen und fassen, dass ich die Tortour Challenge tatsächlich so gut hinter mich bringen konnte.
Ein riesen grosses Merci an meine drei so wundervollen Betreuer. Res, Irène und Barbara ihr wart einfach unglaublich und es ist so schön, dass ich diese intensiven knapp 22 Stunden mit euch
verbringen durfte. Dieses Erlebnis wird mir ewigs in Erinnerung bleiben und werde ich für immer mit euch teilen dürfen! Ich bin euch so unglaublich dankbar. Eure Ruhe, eure lieben Worte, eure
pure Anwesenheit, eure Anfeuerungsrufe und vorallem euren grossen Glauben an mich hat mich Bäume versetzen lassen! Nur dank euch war dieses Abenteuer überhaupt möglich!!
Und auch ganz herzlichen Dank an meinen Bruder Friedrich, auch du hast immer an mich geglaubt und obwohl du wegen einer Verletzung selber nicht starten konntest warst du am Start dabei und hast
mir wertvolle Tipps mit auf den Weg gegeben. Und meine Eltern, herzlichen Dank für euren warmherzigen Empfang in der IWC Arena. Es war so schön, diesen Erfolg mit euch teilen zu dürfen. Und auch
vielen, vielen Dank an alle Freunde, welche mich in Gedanken, mit SMS, an der Strecke oder sonst irgendwie in der Vorbereitung oder während der Tortour mental unterstützt haben!!!
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Katrin (Montag, 22 August 2016 23:28)
Ich gratuliere ganz herzlich zu dere unglaubliche Leistig!! Wow, du bisch eifach super!!
kathrin (Dienstag, 23 August 2016 20:12)
Sackstark! Liebe cristina, du bist eine spitzen ultra cycling fahrerin und kannst deftig stolz auf dein erreichtes ziel sein. Dies erst noch mit einer ausgeatrahlten freude, die du schlicht nicht verstecken kannst. Mir gefällt dein bericht und wie du darin dein team und deinen bruder wertschätzt. Erholt euch gut und geniesst den top-erfolg.
Brigitte (Donnerstag, 22 September 2016 19:32)
Unglaublich, was för en leischtig!! Ech gratuliere.